behinderung im senegal



Wenn die Familien sich zum Essen treffen, sieht man im Senegal vor den Eingängen der Häuser kleine Berge staubiger Sandalen, Flipflops und Lederschuhe.
Das Leben in traditionellen Familienstrukturen ermöglicht dort Menschen mit Behinderungen häufig eine selbstverständliche Teilhabe am Alltagsleben. Genauso wie ihre Altersgenossen werden sie in ihrer Kindheit mit für sie ausführbaren Tätigkeiten beauftragt und im Verbund der Großfamilie gesehen. Im weiteren Lebensverlauf allerdings fallen Kinder mit Behinderungen vielfach weit zurück. Der Schulbesuch wird abgebrochen, wenn er überhaupt erfolgte, denn zusätzlich unterstützende, personelle Kräfte in den Klassen können nicht bereitgestellt werden. Arbeitsmöglichkeiten gibt es höchstens durch Vermittlung innerhalb des familiären Umfeldes. Die hohen Zahlen von Arbeitslosigkeit betroffener Menschen lassen kaum Hoffung auf Arbeitsplätze für Menschen mit zusätzlichem Betreuungsbedarf aufkommen.
Wenige und fast ausschließlich in Dakar und anderen größeren Städten ansässige Einrichtungen, die nach europäischen Modellen zu arbeiten begannen, verfügen zwar über pädagogische Fachkompetenz, haben andererseits aber auch mit dazu beigetragen die existenten, integrativen Strukturen in der senegalesischen Gesellschaft durch ihre Internatsform und die damit einhergehende vermehrte Isolation von Menschen mit Behinderung aufzulösen.
Die Meisten jedoch verlassen ihre Herkunftsfamilie zeitlebens nicht und können kein eigenständiges, ihrem jeweiligen Alter angemessenes Leben führen; sie sind aber trotzdem in der Familienstruktur aufgehobener als in isolierten Wohnheimen oder ähnlichen künstlich hergestellten Wohnformen, die man z.B. in Deutschland nun wieder verzweifelt loszuwerden versucht..
Ein weiterer Blick auf kulturell bedingtes Verhalten geworfen, fördert Ausgrenzung zu tage: Der Begriff „kitaado“ (aus dem Pulaar) sagt aus, dass auf Menschen mit geistigen Behinderungen ein Fluch läge, sie Unglück brächten und belegt damit, dass Stigmatisierung auch in den Halpulaargesellschaften kein Fremdwort ist.
Vorstellungen der Wolof und Serer (zwei andere Bevölkerungsgruppen im Senegal) über Ursachen von geistiger Behinderung kennen einen rab, der durch die „Bewohnung“ eines Menschen eine Störung der gesamten Gemeinschaft sichtbar machen will (vgl. Claudia Renner: Das traditionelle Erklärungsmodell geistiger Behinderung im Senegal. In: Behinderung und Dritte Welt. Ausgabe 1/2001) und diese so gleichzeitig in die gemeinsame Verantwortung nimmt, wieder eine Balance zu schaffen um den Menschen von seinem „Leiden“ zu befreien.
Dieser Ansatz geistige Behinderung als gesellschaftliches Phänomen zu verstehen, entspricht aktuellen Annahmen der Wissenschaft auf erstaunliche Weise.
Insgesamt gesehen besteht durch nicht ausreichende Bildungsmöglichkeiten an den meisten Orten wenig Chance die Lebensqualität für Menschen mit Behinderungen zu verbessern und sie stehen gesellschaftlich gesehen ganz am Ende einer langen Kette von Benachteiligten.
„Lubam pade“ wird aus oben dargestellten Gründen als mobile Hilfe in ländlichen Gegenden eingerichtet Die teilnehmenden Kinder sollen weiterhin ihren Lebensmittelpunkt innerhalb ihrer vertrauten Umgebung und eingebettet in ihre Familie haben, zudem aber ein Angebot wahrnehmen können, das sie darüber hinaus individuell fördern, angemessen ansprechen und compagnionship bieten kann.
Wie der CBR (Community Based Rehabilitation, Programm der WHO) ist uns die Einbindung des familiären Umfelds, die Vernetzung mit kommunalen Einrichtungen, die Teilnahme an lokalen Veranstaltungen und die Zusammenarbeit mit Organisationen (z.B. für Sensibilisierungsprogramme, Berufseinstiegsförderung u.ä.) sehr wichtig – all das verständlicherweise in einem viel bescheideneren Rahmen als dort.